Öl auf Leinwand (Wolf 2)
Roman, Softcover, 402 Seiten, 13,5 x 21,5 cm, Self-Publishing/BoD, 11/2025, ISBN: 978-3-6951-2702-3
Auch als eBook erhältlich, ISBN: 978-3-6951-5501-9
Obwohl sich Wolfs neue Gastwirtschaft, das Tischchen Deck Dich, als wahre Goldgrube erweist, treibt ihn eine Steuerforderung beinahe in den Ruin.
Glücklicherweise darf er mit einer großzügigen Belohnung rechnen, sollte es ihm gelingen, König Ferdinand von Vorwald eine Gemahlin zu verschaffen. Die Aufgabe erscheint ihm durchaus lösbar. König Ferdinand stellt keine hohen Ansprüche. Seine Braut muss lediglich durch ihre makellose Schönheit überzeugen.
Um die perfekte Kandidatin ausfindig zu machen, veranstaltet Wolf den ersten Schönheitswettbewerb in der Geschichte Siebenbergens. Doch das Ereignis wird vom Treiben eines blaubärtigen Unholds überschattet, der seit Monaten junge Frauen verschleppt.
Als man Hexenmeister Fitcher dieser Taten bezichtigt, sieht sich Wolf genötigt, einzuschreiten. Unterstützt von seiner Mitbewohnerin, Prinzessin Allerleirauh, macht er sich daran, die wahre Identität des Entführers aufzudecken. Viel Zeit bleibt ihm dafür nicht. Bald endet die Zahlungsfrist des Steuereintreibers. Für Wolf geht es diesmal um die Wurst.
Textprobe
»Ich darf doch …«, hatte der Abgesandte des Schatzmeisters, ein junger Spund, gesagt und sich immer noch freundlich lächelnd mit seiner riesigen Aktentasche an Wolf vorbei in die Stube gequetscht.
So lästig das für alle Beteiligten sei, müsse er Wolfs Unterlagen einsehen, hatte er gemeint. Das Gesetz sehe diese Vorgangsweise nun einmal vor.
»Unterlagen?« Wolf war nicht sicher, was der Kerl meinte. Vorsorglich schloss er die Türe zur Küche, damit der unerwünschte Gast nicht auf Allerleirauh aufmerksam wurde.
»Deine Buchhaltung. Du hast doch eine Buchhaltung?«
»Selbstverständlich.« Wolf nickte nachdrücklich. »Wo ist denn der nette Kollege geblieben, der mich in den vergangenen Jahren beehrt hat?«, erkundigte er sich.
Der Steuereintreiber zwinkerte ihm listig zu. »Der genießt seinen wohlverdienten Ruhestand. Nein«, schmunzelte er, »das war ein Scherz. Aller Voraussicht nach tut er das nicht. Der König zeigte sich mit seiner Arbeitsweise unzufrieden und ließ ihn in den Kerker werfen. Wärst du so nett und gewährst mir Einsicht in deine Bücher?«
Wolf öffnete die Tischlade und suchte langmächtig darin herum. Währenddessen saß ihm der Steuereintreiber mit verschränkten Armen gegenüber und wartete geduldig.
»Hättest du deinen Besuch angekündigt«, sagte Wolf, »hätte ich alles rechtzeitig bereitgelegt.«
»Ja, ich weiß … Doch lehrt die Erfahrung, dass angekündigte Besuche oftmals dazu führen, dass ich es mit völlig anderen Zahlen zu tun bekomme als mit jenen, die der Realität entsprechen.«
Endlich wurde Wolf fündig. Anfang des Jahres hatte er auf einem Blatt Papier alles niedergeschrieben, was er für die Steuer als relevant erachtete. Feierlich schob er seine Notizen dem Steuereintreiber zu.
Der nahm sich ausreichend Zeit, um sie durchzugehen. Er rieb sich das Kinn, wiegte seinen Kopf hin und her und machte dann und wann »Mhm, mhm, mhm.«
»Sehr schön, jetzt haben wir eine Ausgangsbasis«, erklärte er. »Was ich allerdings nicht nachvollziehen kann, ist, weshalb hier nur drei Zahlen angeführt sind. Einnahmen: 70 Thaler, Ausgaben: 65 Thaler, Ergebnis: 5 Thaler«, las er vor.
»Ganz genau«, bestätigte Wolf.
»Nun, was das Genau anbelangt, muss ich Zweifel anmelden. So schöne, runde Beträge deuten eher auf Schätzungen hin. Wo sind die dazugehörigen Belege?«
Wolf war ratlos. »Belege? Du meinst …«
»Eingangsrechnungen, Ausgangsrechnungen«, half ihm der Steuereintreiber weiter.
»Ach ja, ich … hm, ich … äh … fürchte, die sind, nun ja, bei einem Feuer vernichtet worden.«
»Herrje!« Der Steuereintreiber sah ihn mitfühlend an. »Das ist ja furchtbar. Ich hoffe, bei dem Unglück kam niemand zu Schaden. Tja, wenn du mir keine Detailzahlen vorlegen kannst, muss ich bei der Bestimmung deiner Steuerschuld auf Erfahrungswerte zurückgreifen, was sich manchmal zum Nachteil des Steuerpflichtigen auswirkt. Das will ich nur erwähnt haben, damit es später keine Beschwerden gibt. Weißt du, ich empfehle meinen Klienten immer, die Buchhaltung gut geschützt vor Feuer, Hochwasser, Stürmen und sonstigen Katastrophen aufzubewahren. Es zahlt sich aus, glaube mir.«
Dessen war sich Wolf nun sicher. »Ab sofort werde ich das beherzigen«, versprach er. »Komm nächstes Jahr wieder, dann liegt alles bereit.«
Wie erwartet ließ sich der Steuereintreiber nicht darauf ein. Er holte ein seltsames Gestell aus seiner Tasche und platzierte es auf dem Tisch. Es bestand aus zwei senkrechten Ständern, die mit mehreren waagrechten Metallstangen verbunden waren, auf denen wiederum bewegliche Holzkugeln in verschiedenen Farben steckten.
»Was ist das?«, erkundigte sich Wolf.
»Ein Abakus. Vielleicht hast du schon davon gehört. Es handelt sich um eine Rechenhilfe. Man bewegt die Kugeln von einer Seite auf die andere und erhält am Ende ein exaktes Ergebnis. Du wirst gleich merken, wie das funktioniert. Es ist keine Hexerei. Also gut, legen wir los. Ich hatte zuvor Gelegenheit, mir dein Feld anzusehen. Korrigiere mich, wenn ich falsch liege. Meiner Meinung nach ist es etwa einen Morgen groß.«
»Nicht ganz«, erhob Wolf Einspruch. »Es ist ein bisschen kleiner.«
»Na ja, was das anbelangt, müssen wir es nicht so genau nehmen. Als Freund runder Zahlen weißt du, dass es sich mit ihnen leichter rechnen lässt.«
»Darf ich dir etwas anbieten, bevor du beginnst?«, fragte Wolf. »Ein Pfeifchen Weiße Witwe? Sie ist vorzüglich.«
Möglicherweise würde das Gute-Laune-Kraut seinen Peiniger gütig stimmen, hoffte er, und die Angelegenheit fände ein für beide Seiten akzeptables Ende.
»Das ist sehr aufmerksam von dir, Wolf, vielen lieben Dank. Allerdings verstehst du sicher, dass ich aus Gründen, die ich nicht näher erläutern muss, keine Geschenke annehmen darf.«
»Schade …« Wolf seufzte. Er fühlte, wie sich sein Magen zusammenzog. »Weshalb ist die Größe meines Felds überhaupt ausschlaggebend?«, erkundigte er sich.
Der Abgesandte des Schatzmeisters erklärte es ihm. Bei fehlenden Zahlen oder fehlenden glaubwürdigen Zahlen sei er aufgrund der rechtlichen Bestimmungen ermächtigt, anhand der Anbaufläche die wahrscheinlichen Einnahmen zu berechnen.
»Moment!«, protestierte Wolf. »Das Feld ist zwar einen knappen Morgen groß, doch ich bebaue nur die Hälfte.«
»Das glaube ich gerne«, lächelte der Steuereintreiber. »Nur ist es mir nicht möglich, das zu überprüfen. Jedenfalls nicht beim momentanen Wachstumsstadium der Pflanzen. Man kann sie noch nicht sehen. Weißt du, was das Schöne an meiner Arbeit ist?«
Wolf schüttelte den Kopf.
»Dass sie auf augenscheinlichen Tatsachen beruht.«
»Aber es stimmt!«, wurde Wolf lauter als notwendig. »Bei der Brandrodung kam heftiger Wind auf, der dafür gesorgt hat, dass mehr Wald in Flammen aufgegangen ist als geplant.«
»Schon wieder ein Feuer? Du hast wirklich Pech. Ich kann mir vorstellen, wie du dich fühlst. Du baust Gute-Laune-Kraut an, stimmts?«
»Ja, warum?«
»Die Art der Nutzpflanzen ist für die Bestimmung deiner Einkünfte unerlässlich«, erläuterte der Steuereintreiber. »Gute-Laune-Kraut bringt wesentlich mehr ein als zum Beispiel Getreide oder Gemüse. Das muss ich berücksichtigen. Wie auch immer … Ausgehend von einer Feldgröße von einem Morgen, kommen wir auf, hm, hm, hm …«
Aufs Höchste konzentriert, schob er einige Kugeln von einer Seite des Abakus zur anderen. Wie Wolf bemerkte, ließen sich ein paar davon nur schwer bewegen.
»Entschuldige bitte«, murmelte der Steuereintreiber. »Das kann jetzt ein bisschen dauern. Es ist ein altes Gerät.«